287. Fußprozession Bocholt-Kevelaer vom 22. bis zum 24. August 2020
Was soll das denn? Die Wallfahrt ist doch ausgefallen, oder?
Zumindest hatte der Vorstand im Vorfeld dem BBV und der Kirchenzeitung folgende Mitteilung zukommen lassen, auf deren Basis die Pilger über den Ausfall der Wallfahrt informiert wurden:
„Die Fußprozession Bocholt-Kevelaer, die vom 22.-24.8.2020 stattfinden sollte, kann wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden.
Bereits seit April wurden die Vorstandsmitglieder immer wieder von Pil-gern angesprochen, ob denn die Fußwallfahrt nach Kevelaer in diesem Jahr stattfinden werde. Die Anfragen häuften sich immer mehr als die Pfarrgemeinde St. Georg Ende Mai in einem Pfarrbrief verkündete, alle Wallfahrten nach Kevelaer seien für dieses Jahr abgesagt worden.
Das stimmte allerdings zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht. Der Vor-stand wollte so lange wie möglich alle Optionen zur Durchführung der Wallfahrt offenhalten. Zwar gab es frühzeitig den Beschluss der Politik, Großveranstaltungen ab 1.000 Personen bis zum 31.8.2020 zu unter-sagen, aber da die Wallfahrt in den letzten Jahren durchgehend unter 1.000 Teilnehmern hatte, wäre dies allein noch kein Grund für eine Absage gewesen.
Ein größeres Problem stellten dann schon die einzuhaltenden Abstands- und Hygieneregeln dar. Angesichts der Ende April einsetzenden Locke-rungen der Bestimmungen bestand aber immer noch die Möglichkeit, dass dies auch unsere Wallfahrt betreffen könnte.
Bei einem Gespräch mit der zuständigen Polizeidienststelle im Juni ließ sich dann aber absehen, dass eine Durchführung der Wallfahrt uns vor nicht zu lösende Probleme stellen würde. Danach wären Gruppen von mehr als 10 Personen zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht zulässig. Hinzu kämen einzuhaltende Mindestabstände.
Nachdem zum 15.6.2020 das Land NRW eine neue Coronaschutzver-ordnung erlassen hatte, hat unser geistlicher Leiter bei der Wallfahrt 2010, Dr. Klaus Winterkamp, der Generalvikar des Bistums Münster, einen Brief zu den veränderten Rahmenbedingungen für kirchliche Ver-anstaltungen verfasst. Demnach könnten nun Wallfahrten mit bis zu 100 Personen durchgeführt werden, wenn die üblichen Hygienevorschriften und der Mindestabstand von 1,5 m eingehalten würden. Im Freien sei dann eine Rückverfolgbarkeit, wer sich in wessen Nähe aufgehalten hat, nicht mehr erforderlich.
Dies ändert sich aber dann, wenn die Gruppe in den Innenbereich von Kirchen oder Kapellen gelangt. Hier wäre der Veranstalter verpflichtet, genaue Listen zu führen, wer (genaue Anschrift) wo gesessen hat.
Weiter stellen sich erhebliche Probleme bei der Nutzung der Gastrono-mie, insbesondere, wenn die Beköstigung (z.B. bei ungünstiger Witte-rung) in geschlossenen Räumen stattfinden muss.
Von einer ehrenamtlich organisierten gastronomischen Versorgung rät Dr. Winterkamp dringend ab.
Hinzu kommen erheblich Hygieneauflagen bei der Toilettennutzung nicht nur in den Gaststätten. Dies führt dazu, dass eine Einsatz des uns sonst zur Verfügung stehenden Toilettenwagens nicht durchführbar wäre, weil nach jedem einzelnen Toilettengang eine Desinfizierung erforderlich wäre.
Weitere erhebliche Schwierigkeiten beständen bei der Versorgung durch unsere Sanis. Zum einen würde dadurch, dass ein großer Teil der Trup-pe zur Risikogruppe gehört, nur eine deutlich verringerte Anzahl an Hel-fern zur Verfügung stehen, was man notfalls in Kauf nehmen könnte, wenn man davon ausgeht, dass auch die Zahl der Pilger deutlich gerin-ger sein dürfte. Zum anderen würden aber auch bei den Sanis umfang-reiche Hygiene- und Rückverfolgbarkeitsvorschriften gelten, die eine normale Betreuung der Pilger unmöglich machen würden.
Hinzu kommt, dass selbst dann, wenn die Wallfahrt in mehreren kleine-ren Gruppen (bis 100 Personen) laufen würde, ein normaler Ablauf durch die Abstands- und Hygieneregelungen nicht möglich wäre. Von lautem Gesang und lautem Beten wäre wegen der dabei möglicherweise ver-breiteten Viren möglichst abzusehen.
Außerdem würden sich selbst Gruppen von 100 Personen auf den Straßen infolge der einzuhaltenden Abstandsregeln so weit auseinan-derziehen, dass sie die Länge einer sonst üblichen Gruppe erreichen dürften. Hinzu kommt, dass dann durch eine solche Reihe von Gruppen der Verkehr deutlich länger gestört würde als normal. Hierzu hat uns die Polizei auch frühzeitig klar gemacht, dass sie einer solchen Durchfüh-rung der Wallfahrt nicht zustimmen könne.
Weiter Probleme ergäben sich dadurch, dass sich die Gruppen an den Pausenorten nicht begegnen dürften, wodurch sich der zeitliche Rahmen der Wallfahrt (6.30 Uhr bis 20.00 Uhr) erheblich verlängern würde.
Nachdem dann in der letzten Woche die Politik auch noch bereits jetzt beschlossen hat, die Regelungen für Großveranstaltungen bis zum 31.10.2020 zu verlängern, hat sich der Vorstand in seiner Sitzung am 19.6.2020 schweren Herzens entschlossen, die diesjährige Fußpro-zession Bocholt-Kevelaer abzusagen.
Damit kann zum sechsten Mal in den letzten 200 Jahren die Wallfahrt nicht in gewohnter Weise durchgeführt werden. Für die Zeit davor gibt es nicht genügend aussagekräftige Unterlagen.
Im Jahr 1827 musste die Wallfahrt ausfallen, weil der Bischof ihre Durch-führung verboten hatte, da er angeblich sittliche Bedenken gegen die Durchführung einer gemischtgeschlechtlichen Wallfahrt mit Übernach-tung hatte. Vermutet wird allerdings, dass der wahre Grund der war, dass die Menschen nicht so lange von der Arbeit fernbleiben sollten.
Im Jahr 1866 wurde die Wallfahrt wegen eines angeblichen Cholera-Ausbruchs auf der linken Rheinseite abgesagt.
Aus politischen Gründen konnten drei weitere Wallfahrten nicht statt-finden, weil die zuständigen Besatzungsbehörden keine Genehmigung erteilten. Dies war bei den jeweils ersten Wallfahrtsterminen nach Kriegsende, also in den Jahren 1919 und 1945 der Fall. Außerdem konnte 1923 wegen der „Ruhrbesetzung“, von der auch Gebiete zwischen Kevelaer und dem Rhein betroffen waren, keine Wallfahrt nach Kevelaer durchgeführt werden. Stattdessen organisierte der Vorstand damals eine kombinierte Zug-/Fußwallfahrt nach Telgte.“
Mitte Juli informierte der Vorstand über die bekannten Medien mit den nachfolgenden Ausführungen:
„Wie schon vor einiger Zeit mitgeteilt, muss die Fußprozession Bocholt-Kevelaer in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Um aber die Verbundenheit mit Kevelaer zum Ausdruck zu bringen, soll die Pilgermesse, die immer am Vorabend der Wallfahrt, also am Freitag um 19.00 Uhr stattfindet, trotzdem gefeiert werden. Da die Corona-Auflagen eine Messe mit den sonst üblichen Besucherzahlen in St. Georg unmöglich machen, hat sich der Vorstand entschlossen, in diesem Jahr zeitgleich in den drei Bocholter Pfarrgemeinden am 21.8.2020 um 19.00 Uhr eine Pilgermesse zu halten. Diese soll in den Pfarrkirchen St. Georg, Liebfrauen und Ss. Ewaldi (da die St. Josef-Kirche noch wegen Renovierung geschlossen ist) stattfinden. Wenn sich die Teilnehmer einigermaßen gleichmäßig auf die drei Kirchen verteilen sollten, könnten ca. 450 Pilger daran teilnehmen. Die Messe in St. Georg wird Pfarrer Alfred Manthey, der in diesem Jahr als geistlicher Begleiter der Wallfahrt vorgesehen war, zelebrieren. Er hat sich dankenswerterweise auch für 2021 als geistlicher Begleiter zur Verfügung gestellt.
Die Wallfahrtsleitung in Kevelaer hat den Vorstand der Fußprozession Bocholt-Kevelaer gebeten, trotz der Absage der Wallfahrt als Zeichen der Verbundenheit in Kevelaer ein Kerzenopfer darzubringen. Daher wird eine Abordnung des Vorstandes am Samstag, dem 22.8.2020 um 19.45 Uhr, also etwa zu der Zeit, zu der die Pilger normalerweise die Basilika erreichen, dort stellvertretend für die durch Corona verhinderten Pilger in Kevelaer eine Kerze opfern. Damit folgen wir einer alten Tradition, denn beim letzten Ausfall der Wallfahrt aus gesundheitlichen Gründen wegen eines Choleraausbruchs an der anderen Rheinseite im Jahr 1866 wurde es ebenso gehandhabt.
Auch das übliche Kerzenopfer in St. Georg, welches sonst am Montag bei der Rückkehr nach Bocholt dargebracht wird, soll stattfinden, aber nicht am Montag, sondern am Freitagabend in die Pilgermesse in St. Georg integriert werden.“
In St. Georg nahmen dann etwa 100 Pilger am Freitag, dem 21.8.2020 an der Pilgermesse teil. Wesentlich mehr hätten es zur Einhaltung der Corona-Regeln auch nicht sein dürfen. Den Gottesdienst in Liebfrauen besuchten ca. 65 und den in Ss. Ewaldi 17 Pilger.
Da der Vorstand erfahren hatte, dass sich eine ganze Reihe von Kleingruppen teils zu Fuß, teils mit dem Rad oder einige auch mit dem Auto am ursprünglichen Termin auf den Weg nach Kevelaer wollten, stellte sich die Frage, ob und in welcher Form diesen Pilgern in Kevelaer eine gewisse Wallfahrtsplattform angeboten werden könnte.
Gemeinsame Überlegungen des engeren Vorstandes mit dem geistlichen Begleiter und der Wallfahrtsleitung in Kevelaer führten dazu, dass das angekündigte Kerzenopfer am Samstagabend verbunden mit einer kurzen Andacht im Forum Pax Christi neben der Kerzenkapelle als teilüberdachte Freiluftveranstaltung durchgeführt und den in Kevelaer anwesenden Pilgern die Teilnahme daran angeboten werden konnte. Um einen kurzfristigen Ansturm insbesondere von Autopilgern zu verhindern, wurde diese Veranstaltung nicht vorher angekündigt, sondern den in Kevelaer eintreffenden Kleingruppen per Mund-zu-Mund-Propaganda mitgeteilt.
Dasselbe galt auch für die Pilgermesse am Sonntagmorgen. Pfarrer Manthey kündigte im Rahmen der Andacht an, dass den Pilgern, die in Kevelaer übernachten wollten, Gelegenheit gegeben werde, an einer von ihm zelebrierten Pilgermesse im Forum Pax Christi teilzunehmen.
Zusammenfassend festgestellt hat also keine übliche Wallfahrt stattgefunden, aber es war doch eine ganze Reihe von Pilgern auf dem Weg und in den Gottesdiensten in Bocholt und Kevelaer. Dies rechtfertigt in jedem Fall eine Eintragung in die Chronik.