BBV vom 23. August 2022

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Seit etlichen Jahrzehnten mit dem Trecker für die Wallfahrt unterwegs

Die Familien Schwanekamp und Engenhorst transportieren Pilger, Gepäck und Sanitäter

Bocholt - Wenn die Fußpilger nach Kevelaer laufen, fahren die Familien Schwanekamp und Engenhorst mit. Sie transportieren Pilger, Gepäck und Sanitäter und begleiten die Wallfahrt seit etlichen Jahrzehnten.

© Stefanie Himmelberg

Seit etlichen Jahrzehnten mit dem Trecker für die Wallfahrt unterwegs
 

Der Termin ist reserviert: Am vierten Wochenende im August geht es nach Kevelaer. Leo (links) und Matthias Engenhorst sowie Katharina Schwanekamp und ihre Söhne Norbert (am Lenkrad) und Herbert sind mit viel Herzblut dabei, um die Pilger zu begleiten.

Sie transportieren müde Pilger, Sanitäter im Einsatz und massenweise Gepäck – die Fahrer der Begleitwagen der Bocholter Fußpilger. Wenn sich die Prozession am kommenden Samstag in Richtung Kevelaer in Bewegung setzt, ist das für die Familien Schwanekamp und Engenhorst eine besondere Wallfahrt: Schwanekamps fahren seit 100 Jahren mit, Engenhorsts seit 50 Jahren. So viel Einsatz und Engagement war den Verantwortlichen der Fußpilger um Alfons Schmeink ein extra Dankeschön wert: Sie ließen für jeden Wagen zwei große Schilder mit der Aufschrift „100 Jahre im Dienst der Wallfahrt“ beziehungsweise „50 Jahre im Dienst der Wallfahrt“ und einer Abbildung des Kevelaerer Gnadenbildes anfertigen und montierten sie beim jüngsten Vorstandstreffen mit den Ordnern. Für ihre langjährigen Verdienste ausgezeichnet werden die beiden Familien außerdem im Rahmen der Jubilarehrung am Sonntag in der Basilika in Kevelaer.

Landwirtschaft gibt es auf dem Hof Schwanekamp schon seit 1979 nicht mehr. Den alten Trecker Jahrgang 1963 und den offenen Gummiwagen, der nur am Kevelaer-Wochenende ein Verdeck bekommt, geben Katharina Schwanekamp (83) und die Söhne Norbert (57) und Herbert (56) aber nicht her. Einmal im Jahr geht der grüne Deutz D25 mit dem luftgekühlten Dieselmotor auf große Fahrt in den niederrheinischen Wallfahrtsort und wieder zurück. Maximal 20 Stundenkilometer schafft der Oldtimer. Auf dem Weg nach Kevelaer ist er mit etwa sechs km/h unterwegs. Schritttempo ist angesagt, das Gespann fährt die meiste Zeit kurz hinter den Pilgern. Immer hinter der zweiten Gruppe. „Da läuft die Prominenz“, flachst einer aus der Runde.

Katharina Schwanekamps Schwiegervater spannte erstmals im Sommer 1922 an, um Gepäck und Leute nach Kevelaer zu fahren. Das Pferd in Rees für die kurze Fahrt ans andere Rheinufer auf die Ponte zu bekommen, war nicht immer einfach, erinnert sich Katharina Schwanekamp und, dass die Männer anfangs noch im Pferdestall ihr Nachtquartier in Kevelaer aufschlugen. Die Rheinbrücke in Rees wurde 1967 fertig. Ein Jahr später liefen die Pilger erstmals über die Brücke, statt die Fähre zu nehmen. Kaltblüter Max hatte zu der Zeit schon ausgedient. Nachdem er sich einmal am Fluss mächtig die Hufe vertreten hatte, wurde er 1964 durch besagten Trecker ersetzt.

Ein Dach hat der Deutz nicht, und er bekommt auch keins. Bei Regen müsse man am Lenkrad eben eine Regenjacke überziehen, sagt Norbert Schwanekamp und schmunzelt: „Wir müssen auch ein bisschen leiden.“ Dass er vor Jahren einen Sani am Pausenort vergessen hat und ohne ihn losgefahren ist, ist eine andere Geschichte. Dass er die Begebenheit jeden Sommer genüsslich aufs Brot geschmiert bekommt, eine weitere. Überhaupt wird viel gelacht: Nach Kevelaer pilgern, das ist viel mehr als Rosenkranz beten und Marienlieder singen. Die Mischung aus Miteinander, Glauben und sportlicher Herausforderung begeistert stets aufs Neue.

„Das ist aber nichts Christliches“, antwortet Leo Engenhorst (69) auf die Frage, was ihm in 50 Jahren Kevelaer-Wallfahrt in Erinnerung geblieben ist. Amüsiert erzählt er von dem Bekannten, der nach getanem Pilgermarsch in der Disco in Kevelaer mit den Mädchen aus dem Dorf anbandelte. Und von dem Nachbarn, der immer in seinen Holzklumpen lief und in der Pause drei Schnäpse bestellte: „einen für oben und zwei für unten“. Den ersten trank er, die anderen beiden kippte er in die Klotschen, um besser laufen zu können. Ob das funktioniert hat, ist nicht bekannt.

Als 14-Jähriger lief Leo Engenhorst erstmals an der Seite seines Vaters mit. 1972 übernahm dieser den Transportdienst mit Trecker und Wagen. Seinen Vater am Steuer zu vertreten, habe ihm anfangs gar nicht gepasst, sagt Leo Engenhorst. Die ganze Zeit auf dem Trecker sitzen, das sei so gar nicht sein Ding gewesen. Der junge Leo wollte lieber laufen – so wie die meisten in seiner Familie. Am liebsten auch montags zurück nach Bocholt, sagt sein Sohn Matthias (39). „Dann hatte man immer einen guten Grund, nicht zur Schule zu gehen.“

Mal hatte der Trecker einen Platten, mal fingen die Bremsen zwischen Marienbaum und Uedemerbruch an zu qualmen. Die Bremsen kühlte Engenhorst mit Mineralwasser. Hilfe bekam er von den Pilgern; einer war Landmaschinentechniker und half beim Reparieren. Bis alles wieder funktionierte, „waren die anderen schon fast in Kevelaer“.

Taschen ab 6 Uhr abgeben

Rucksäcke und Taschen können am Wallfahrtssamstag ab 6 Uhr bei den insgesamt fünf Begleitwagen an der Georgskirche abgegeben werden. Gepäckstücke, die während des Hinweges nicht benötigt werden, werden mit farbigen Bändern markiert, gesondert nach Kevelaer gebracht und können nach der Ankunft in Kevelaer an den Wagen abgeholt werden.

Quellle: BBV-net
Autor: Stefanie Himmelberg